Sonderschau im Robert-Schumann-Haus zum Jahr der Industriekultur: Patente und Erfindungen – Klaviere des 18. und 19. Jahrhunderts

veröffentlicht am: 02.10.2020

Das Robert-Schumann-Haus informiert:

Mit „Patente und Erfindungen – Klaviere des 18. und 19. Jahrhunderts“ präsentiert das Robert-Schumann-Haus Zwickau eine überaus interessante Sonderausstellung zum Jahr der Industriekultur 2020. Die Schau ist ab Samstag, dem 10. Oktober 2020 bis zum 30. Dezember 2020 am Hauptmarkt 5 zu sehen.

Die Zeit Robert und Clara Schumanns erlebte geradezu revolutionäre Entwicklungen im Klavierbau. Das Hammerklavier verdrängte seine Vorläufer Cembalo und Clavichord. Doch auch die Mechanik, mit der ein Hammer die Klaviersaite in Schwingung versetzt, wurde durch immer wieder neue Erfindungen weiterentwickelt; stolz präsentierten viele Klavierbauer ihre neuen „Patentflügel“. Anfänglich ein Handwerkserzeugnis, geriet auch der Klavierbau schnell in den Sog der industriellen Revolution, was zu neuen Möglichkeiten der Konstruktion führte. 

Die Ausstellung zeigt originale Klavierinstrumente, die in besonderer Beziehung zu Clara Schumann stehen, und präsentiert Originaldokumente aus den Beständen des Robert-Schumann-Hauses, in denen sich Clara Schumann zum Thema Klavierbau äußert. Besondere Attraktion ist ein pneumatisch arbeitender Selbstspielflügel (eine Erfindung des späten 19. Jahrhunderts), auf dem Zeitgenossen Clara Schumanns ihre Kunst auf Lochstreifenrollen verewigten. Auf dieser Hupfeld-Phonola gibt es während der Sonderausstellung regelmäßige Vorführungen für Museumsbesucher.

Sachsen als einstiges Zentrum des Klavierbaus – Sonderausstellung mit einzigartigen Originalen

Der Musikinstrumentenbau ist bis heute in Sachsen ein wichtiger Wirtschaftszweig; die Westsächsische Hochschule Zwickau bietet deutschlandweit den einzigen Studiengang Musikinstrumentenbau an. Während im Vogtland bis heute der Schwerpunkt auf Saiteninstrumenten und Akkordeons liegt, war Leipzig im 19. Jahrhundert ein Zentrum des Klavierbaus – vier Instrumente aus dieser Leipziger Tradition sind in der Sonderausstellung zu bewundern.

Erzgebirgischer Pionier des Klavierbaus schon im 18. Jahrhundert war Gottfried Silbermann (1683-1753). Er gilt als deutscher Erfinder des Hammerflügels, erzielte seinen Umsatz jedoch vornehmlich mit dem Bau von Clavichorden und Orgeln. Während zahlreiche seiner Orgeln vor allem in sächsischen Kirchen bis heute erhalten sind, gibt es weltweit nur ein einziges Clavichord, das zwar nicht signiert, doch mit großer Wahrscheinlichkeit Johann Gottfried Silbermann zuzuschreiben ist: ein Instrument, das heute im Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen aufbewahrt wird. Während das dortige Original nicht spielbar ist, präsentiert die Sonderausstellung einen vorführbaren Nachbau des Berliner Clavichordbauers Sebastian Niebler.

1750 wurde der Klavierbauer Christopher Ganer (†1811) in Leipzig geboren. Er erlernte das Handwerk in seiner sächsischen Heimat, zog dann aber später nach London, wo er 1792 die englische Staatsbürgerschaft erhielt. Er zählt zu den sogenannten zwölf Aposteln, deutschen Emigranten, die in London die dortige Tradition des Klavierbaus begründeten. Ein um 1790 erbautes Originalinstrument von Ganer gehört zu den Exponaten der Sonderausstellung.

Instrumente dieser Art waren die ersten, mit denen die junge Clara Wieck Umgang gehabt haben dürfte. Auch Clavichorde wurden noch weit bis ins 19. Jahrhundert hinein gespielt und gebaut. Als Konzertpianistin spielte sie jedoch schon bald nur noch auf Flügeln: Ihr erster Flügel, erbaut von dem Wiener Klavierbauer André Stein, ist seit 1911 Teil der Dauerausstellung im Zwickauer Schumann-Museum. Bis 1839 konzertierte sie fast ausschließlich auf solchen Flügeln mit sogenannter Wiener Mechanik, dann musste sie sich bei einer Konzertreise in Paris auf die dortigen Instrumente mit englischer Mechanik umstellen, bekam 1840 von Robert Schumann einen Flügel von Breitkopf & Härtel dieses in Deutschland bis dahin wenig verbreiteten Mechaniktyps und spielte fortan ausschließlich auf derartigen Instrumenten. Heute kennt man die Firma nur noch als Musikverlag; einen der wenigen erhaltenen Flügeln aus der Leipziger Produktion der Gebrüder Härtel präsentiert die Zwickauer Sonderausstellung. 

Johann Nepomuk Tröndlin (1790–1862) war zunächst Mitarbeiter im Klavierbaubetrieb von Breitkopf & Härtel, machte sich dann jedoch selbständig. Er hatte sein Handwerk bei André Stein in Wien erlernt. Ein nach dessen Vorbild erbauter Flügel mit Wiener Mechanik und 6 ¾ Oktaven Umfang – baugleich mit Robert Schumanns Kompositionsflügel der 1830er Jahre – ist ebenfalls Teil der Sonderausstellung.

Mit den Jahren folgten verschiedene Patente zur Verbesserung dieser englischen Mechanik, vor allem im Hinblick auf schnellere Tonwiederholungen. In Leipzig entwickelte Breitkopf & Härtel einen Mechanik-Typ, der englische und deutsche Mechanik zu kombinieren suchte, und Robert Schumann schenkte seiner Braut Clara im Jahr 1840 einen solchen Flügel – mit Widmungsgedicht, dessen Originalhandschrift ebenfalls in der Ausstellung gezeigt wird. Julius Blüthner konstruierte später die sogenannte Blüthner-Patent-Mechanik, die Clara Schumanns Dresdner Cousin Wilhelm Wieck in einem in der Dauerausstellung des Robert-Schumann-Hauses gezeigten Flügel verwendete.

Alternativ entwickelte Sébastien Erard in Paris die bis heute standardmäßig in Flügeln zu findende Repetitionsmechanik. Der erste deutsche Klavierbauer, der Erards Mechanik in Deutschland nachbaute, war der Düsseldorfer Klavierbauer Johann Bernhard Klems (1812–1872), von dem Clara Schumann 1853 einen Flügel als Geburtstagsgeschenk ihres Mannes erhielt (wiederum mit eigenhändigem Widmungsgedicht). 

Nach dem Tod von Klems wechselte Clara Schumann 1872 noch ein letztes Mal ihren bevorzugten Klavierbauer und spielte fortan Flügel der Braunschweiger Firma Grotrian Steinweg. Die Ausstellung zeigt einen Flügel aus diesem Klavierbaubetrieb, der kombiniert ist mit einer Hupfeld-Phonola. Der Leipziger Klavierbauer Ludwig Hupfeld (1864–1949) war Pionier auf dem Gebiet selbstspielender Instrumente. 

Begleitprogramm zur Sonderausstellung

  • Samstag, 10. Oktober 2020 (im Rahmen der Museumsnacht)
    18:15, 21:15, 22:15 und 23:15 Uhr, jeweils 30-minütiges Konzert auf Instrumenten der Ausstellung
    (Museumsnacht-Eintritt)

  • Sonntag, 15. November 2020, 16 Uhr
    Vortrag: Von Stein zu Steinweg – Clara Schumann und ihre Klavierbauer (Dr. Thomas Synofzik)
    (Eintritt 2 Euro, ermäßigt 1 Euro)

  • Samstag, 28. November 2020, 16 Uhr
    Konzert mit dem Klavierduo Soos/Haag (vierhändige Klaviermusik von Schumann und Moscheles auf dem Leipziger Breitkopf & Härtel-Flügel)
    (Eintritt 10 Euro, ermäßigt 7,50 Euro)

  • Sonntag, 6. Dezember 2020, 17 Uhr
    Konzert mit Thomas Synofzik auf Tafelklavier und Clavichord: Beethoven und sein Chemnitzer Lehrer Christian Gottlob Neefe
    (Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro)

  • Samstag, 19. Dezember 2020, 17 Uhr
    Konzert mit Quattrovaganti (auf Originalinstrumenten): Quartette von Schumann und Beethoven
    (Eintritt 10 Euro, ermäßigt 7,50 Euro)

  • Sonntag, 27. Dezember 2020, 15 Uhr
    Weihnachten bei Schumanns: Weihnachtliche Musik auf Klavieren des 19. Jahrhunderts und Lesung aus Weihnachtsbriefen von Robert und Clara Schumann (mit Thomas Synofzik und Katrin Reyersbach)
    (Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro)

Karten zu allen Veranstaltungen sind nur im Vorverkauf an der Museumskasse erhältlich.

Die Ausstellung zeigt originale Klavierinstrumente, die in besonderer Beziehung zu Clara Schumann stehen.
Die Schau ist bis zum 30. Dezember 2020 im Robert-Schumann-Haus Zwickau zu sehen.
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